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Rotz Krankheit

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Beitrag  America008 Fr Jan 08, 2010 8:10 pm

Der Rotz (auch Mürde oder Hautwurm, lat. Malleus) ist primär eine Krankheit der Pferde (Equidae), die durch das Bakterium Burkholderia mallei verursacht wird. Auch Menschen und andere Säugetiere können sich mit Rotz infizieren. Die Erkrankung ist gekennzeichnet durch spezifische, eitrig-einschmelzende Prozesse in den oberen Atemwegen, der Lunge sowie der Haut. Der Verlauf variiert zwischen akut und chronisch, wobei sich deutliche Speziesunterschiede zeigen. Pferde können sich latent infizieren und sorgen als einziges natürliches Erregerreservoir für die weitere Verbreitung der Krankheit. Die Übertragung erfolgt durch den direkten oder indirekten Kontakt mit infektiösen Körperausscheidungen, häufige Eintrittspforten des Erregers sind die Schleimhäute des Kopfes sowie die äußere Haut.

Die Zoonose Rotz verläuft beim Menschen unbehandelt oft tödlich.[1] Eine antibiotische Therapie gestaltet sich langwierig und schwierig. Wirksame Impfungen existieren nicht. Arbeiten mit dem Erreger sind auf Labore der Sicherheitsstufe 3 begrenzt. Wegen seiner Humanpathogenität und potentiell hohen Kontagiosität ist Burkholderia mallei als biologischer Kampfstoff der Klasse B eingeordnet.

Rotz ist eine der ältesten bekannten Seuchen beim Pferd und findet schon im Altertum Erwähnung. Als Gewährsmangel mit ehemals weltweiter Verbreitung führte die Erkrankung zu hohen Verlusten bei den Armeepferden des 18. bis 20. Jahrhunderts. Die anzeigepflichtige Tierseuche unterliegt strengen Bekämpfungsmaßnahmen, die vor allem auf der Keulung erkrankter und infizierter Tiere basieren. Dank konsequent durchgeführter Eradikationsprogramme ist Rotz mittlerweile in Nordamerika und Westeuropa getilgt, es existieren jedoch endemisch verseuchte Gebiete in Asien, Südamerika und Afrika. Zur Zeit wird Rotz als wiederaufflammende Tierseuche (re-emerging disease) eingestuft.
Der strangartigen Verdickung erkrankter Lymphgefäße verdankt der Hautrotz seine historische Bezeichnung „Wurm“.
Inhaltsverzeichnis


Rotz gilt als eine sozioökonomisch bedeutsame Tierseuche. Sie wird als Bedrohung der öffentlichen Gesundheit eingestuft und nimmt Einfluss auf den internationalen Handel mit Tieren oder deren Produkten.

Die Feststellung der Erkrankung zieht in der Regel die sofortige Keulung aller infizierten Tiere nach sich. Beträchtliche wirtschaftliche Schäden entstehen nicht nur dem betroffenen Tierhalter, sondern auch dem jeweiligen Land durch international verhängte Handelssperren und kostspielige, aufwändige Bekämpfungsmaßnahmen. Rotz ist eine lebensgefährliche direkte Zoonose und der Erreger wird als „einer der gefährlichsten Organismen, die in Laboratorien gehandhabt werden können“ eingestuft.[2] Besondere Aufmerksamkeit verdient der Erreger unter Berücksichtigung seiner Verwendbarkeit als potentielles Agens in der biologischen Kriegsführung.

In den Industrienationen hat die ehemals gefürchtete und weit verbreitete Pferdeseuche durch den generellen Rückgang der Pferdepopulation und gezielte staatliche Rotz-Bekämpfungsmaßnahmen ihre frühere Bedeutung längst verloren. Eine große Rolle spielt die Infektion aktuell jedoch noch in weniger entwickelten Ländern mit hoher Pferdedichte. Soziokulturelle und strukturelle Gegebenheiten verhindern dort oftmals eine effektive Bekämpfung der latent infizierten endemischen Herde.
Name
Der Krankheitsname Rotz leitet sich von dem typischerweise auftretenden Nasensekret bei dieser Erkrankung ab (ahd. roz, von der lautmalerischen ie. Wurzel *ker, *kor, *kr; vgl. das klingende gr. koryza „Nasenschleim“, zugleich Geräusch des Räusperns oder Ausspuckens).[3] Die im englischen Sprachraum übliche Bezeichnung glanders verweist ebenso wie das niederländische droes auf das Wort „Drüsen“, als Hinweis auf die geschwollenen Lymphknoten bzw. auf die entstehenden, länglichen Hautwülste bei den betroffenen Tieren. Im Deutschen wäre es mit dieser Bezeichnung aber zu einer Kollision mit dem Namen der Krankheit Druse (Coryza [!] contagiosa equorum) gekommen – eine häufige Verwechslung bzw. Gleichsetzung der beiden Krankheiten in früheren Zeiten ist anzunehmen. Stattdessen nannte man den Rotz aus demselben Grund auch Wurm, da die Schwellungen wie sich schlängelnde Parasiten unter der Haut wirken. Als Wurm tauchen schon in den ältesten Zeugnissen deutscher Sprache heute nicht mehr genau fassbare Beschwerden bei Tieren auf, etwa im altsächsischen Wurmsegen (gang uz, nesso).

Die Differenzierung zwischen der Erkrankung der Atemwege und jener der Haut findet sich außer in der deutschen Sprache auch im Englischen (glanders & farcy), Französischen (morve & farcin) und im Italienischen (morvo & farcino). Im spanischen Sprachraum ist die Erkrankung als muermo bekannt.

Die genaue Etymologie der lateinischen Bezeichnung Malleus bleibt im Dunkeln. Man vermutet einen Zusammenhang mit dem lat. malleus für „Hammer“; es findet sich in mittellateinischen Glossen ein Zusammenhang mit der Wendung „mit dem Hammer schlagen“, die auf die plötzlich einsetzende Wucht der Erkrankung verweisen könnte. Einige antike Autoren sprechen auch allgemein von der morbus malleus – der „schlimmen Krankheit“ – unter der sie auch typische Rotzsymptome summieren.[4] Ursprünglich wohl aus dem Altgriechischen stammend, böten sich bei der vielfältigen Möglichkeit korrumpierender Lesungen aber diverse Ursprünge ähnlich klingender Wurzeln an, etwa male „Achsel, Achselhöhle“, malesos „heftig, gefräßig, zermalmend“, mala-[chia] „Schlaffheit, Energielosigkeit, Weichheit, Schwäche“. Aristoteles bezeichnet in seiner Historia animalium eine Krankheit, die nur Esel befällt, als „Rotz“ (melida).[5]

In der älteren Fachliteratur findet man noch die in der Tiermedizin früher verwendeten Adjektive rotzig bzw. malleös. Neben den Bezeichnungen Maleus und Malleus wird dort auch bisweilen der Name Maliasmus für die Erkrankung verwendet.
Verbreitung [Bearbeiten]
Land ↓ Jahr der Tilgung[6] ↓
Australien 1891
Großbritannien 1928
Schweiz 1937
Vereinigte Staaten 1942
Österreich 1952
Deutschland 1955
Niederlande 1957
Polen 1957
Frankreich 1965

Bis Anfang des 20. Jahrhunderts war die Erkrankung weltweit präsent. Durch systematische Test- und Keulungsprogramme ist die Seuche mittlerweile in Westeuropa und Nordamerika erfolgreich getilgt. In Deutschland trat der letzte Fall bei der heimischen Equidenpopulation 1955 auf[7], die letzte Rotzerkrankung beim Menschen auf deutschem Boden wurde 1973 diagnostiziert. [8]

Zwischen 1996 und 2003 kam der Rotz der Equiden in Bolivien, Brasilien, Eritrea, Äthiopien, Iran, Lettland, der Mongolei, Myanmar, Pakistan, der Türkei und Weißrussland vor. Im gleichen Zeitraum wurde von Fällen humaner Rotzerkrankung aus Kamerun, Curaçao, Sri Lanka, der Türkei und den USA (Laborinfektion) berichtet.[9] 2007 wurden aus Indien (Kaschmir)[10] und Russland (Südostsibirien)[11] erneut Ausbrüche von Rotz bei Pferden bekannt.

Als nicht rotzfrei bzw. endemisch durchseucht gelten gemäß Einstufung der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) zur Zeit der Iran, Brasilien, Indien und die Mongolei. In Indien und Brasilien ist die Seuche nur auf bestimmte Regionen begrenzt.[12]

Allgemein ist zwischen Ländern mit offenen Ausbrüchen von Rotz und Ländern mit ausschließlich stillen Infektionen (serologischer Prävalenz) zu unterscheiden. Aus sozioökonomischen Gründen ist nicht in allen Nationen eine konsequente staatliche Überwachung und Bekämpfung des Malleus möglich. Auch sind die an die OIE gemeldeten Daten oft unvollständig. Deshalb ist von der Existenz weiterer endemischer Herde in Afrika, Ostasien, dem Irak, der Türkei und Osteuropa auszugehen. Die Globalisierung des Pferdehandels und Reitsports ermöglicht jederzeit eine Neueinschleppung der Seuche in rotzfreie Gebiete. Diese Gefahr drohte zuletzt 2004 in Dubai und 2005 in Deutschland [1] durch importierte Pferde, die sich jedoch noch in Quarantäne befanden und daher keinen Kontakt zu einheimischen Tierbeständen hatten.[13]

Seit den 1990er Jahren ist die Anzahl rotzkranker Renn-, Militär- und Hobbypferde in Asien und Südamerika kontinuierlich angestiegen, Rotz gilt deshalb als wiederaufflammende Tierseuche (re-emerging disease).[14]
Ätiologie

→ Hauptartikel: Burkholderia mallei

Der Erreger der Rotz-Erkrankung ist das Bakterium Burkholderia mallei. Obwohl seit 1993 in die Gattung Burkholderia eingeordnet, wird die frühere Bezeichnung Pseudomonas mallei z.T. noch synonym verwendet.
Mikroskopische Aufnahme des Bakteriums B. mallei.

Burkholderia mallei ist ein gramnegatives Stäbchen, das keine Endosporen bildet und bei 37 °C unter aeroben Bedingungen langsames Wachstum auf einfachen oder zusammengesetzten Nährböden zeigt. Obwohl das Bakterium keine Kapsel im eigentlichen Sinn besitzt, weist es eine kapselähnliche Struktur aus neutralen Zuckerverbindungen auf.[15] Das Fehlen der Begeißelung und die daraus resultierende Unbeweglichkeit stellen ein wichtiges diagnostisches Kriterium dar.

Darüber hinaus grenzt sich Burkholderia mallei gegen andere Mitglieder der Gattungen Burkholderia und Pseudomonas durch seinen echten Parasitismus ab, das heißt, der Erreger kommt in erster Linie im infizierten Organismus vor.[16] Die Virulenz eines Stammes kann sich nach gezielter Übertragung auf hoch empfängliche Wirte (Beimpfung) erhöhen.[17] Frei in der Umwelt ist er dagegen nur mäßig stabil und zeigt sich empfindlich gegen Austrocknung, Licht sowie gängige Desinfektionsmittel. Während er in eingetrockneten Sekreten bereits nach 3 Tagen seine Ansteckungsfähigkeit verliert, kann er an feuchten, dunklen Stellen mehrere Wochen infektiös bleiben.[18]

Mit dem Erreger des Pseudorotzes, Burkholderia pseudomallei, weist er im Genomvergleich etwa 70 % Übereinstimmung auf. Eine mögliche These ist, dass der Erreger des Rotzes sich aus Burkholderia pseudomallei entwickelt hat. [19] Die enge Verwandtschaft beider Erreger führt zu ähnlichen Krankheitsbildern und beeinflusst auch die Aussagekraft der serologischen Diagnostik.
Epidemiologie
Wirtsspektrum

Rotz ist eine Erkrankung der Unpaarhufer (Perissodactyla),[20] speziell jedoch der Equidae. Die Hauptwirte für Burkholderia mallei sind Pferde, Esel sowie deren Kreuzungsprodukte. Vom Zebra als potentiellem Wirt ist ebenfalls auszugehen. Bei engem Kontakt zu infizierten Equidae können sich außer dem Menschen auch weitere Säuger-Spezies infizieren. Unter den Haustieren gilt dabei das Kamel als besonders empfindlich.[21] Fälle von natürlichen Rotzinfektionen sind auch für Hunde, Katzen und Ziegen beschrieben.

Bei den Fleischfressern scheinen die Katzen (Felidae) eine erhöhte Empfänglichkeit zu besitzen. Ausbrüche bei Großkatzen in Gefangenschaft sind bekannt, bei Hauskatzen kommen sporadische Erkrankungen vor. Auch Wildtiere wie Bären, Wölfe, Feldmäuse, Kaninchen und Wühlmäuse können sich infizieren. Eine mögliche Erkrankung von Elefanten im Zoo ist ebenfalls dokumentiert.[22] Rinder, Schweine und Vögel gelten für natürliche Infektionen als nicht empfänglich.[23]

Eine experimentelle Infektion ist – mit Ausnahme des Schweines – bei den meisten domestizierten Tierarten möglich. Unter den Nagetieren gelten Hamster und Meerschweinchen als besonders empfänglich, während Hausmäuse nur durch eine sehr hohe Erregerdosis infiziert werden können.
Infektionsquellen und Übertragungswege [Bearbeiten]

Die Infektion mit Burkholderia mallei erfolgt meist über den Mundweg (peroral) und durch Hautkontakt – seltener als Tröpfcheninfektion über die Luft (aerogen) – durch infizierte Pferde. Alle Körperausscheidungen sowie Blut können erregerhaltig sein. Als besonders infektiös gelten Nasensekret, Lungenauswurf, Speichel sowie Eiter aus frisch eröffneten Hautwunden.[24] Die Ansteckung erfolgt durch direkten Tierkontakt oder indirekt über kontaminierte Gegenstände. Eine zentrale Rolle spielt dabei die gemeinsame Nutzung von Krippen und Tränken.[25] Einstreu, Putzzeug, Geschirre sowie mangelhaft desinfizierte tierärztliche Instrumente stellen weitere Infektionsquellen dar. Die Übertragung kann auch über den Deckakt erfolgen.[26] Die Infektion der Leibesfrucht im Muttertier („vertikale Übertragung“) ist möglich, jedoch selten.[27]

Die Übertragung des Erregers auf den Menschen findet oft als Schmutz- und Schmierinfektion durch direkten Kontakt mit kranken Individuen und deren Ausscheidungen statt. Eine weitere Möglichkeit der direkten Infektion ist die Arbeit mit infektiösem Gewebe oder Bakterienkulturen. In der Regel erfolgt der Eintrag des Erregers über kleine Hautwunden.[28] Eine mögliche Durchdringung (Penetration) unverletzter Haut wird vermutet, bleibt aber unbewiesen. Auch Infektionen durch Einatmen (Inhalation) sowie über die Mund-, Augen- und Nasenschleimhäute (oral, konjunktival und nasal) sind möglich.[29] Von Infektionen nach dem Verzehr von Fleisch rotzkranker Tiere wurde berichtet.[30] Eine Übertragung durch den sexuellen Kontakt von Mensch zu Mensch ist in mindestens zwei Fällen belegt.

Fleischfressende Tiere infizieren sich üblicherweise über die Aufnahme von Fleisch, das von rotzkranken Pferden oder Eseln stammt.[31]
Verbreitung der Seuche und Erregerreservoir

Die in vielen Ländern erfolgreich durchgeführte Tilgung des Rotzes belegt, dass die Equiden das einzige natürliche Reservoir darstellen. Die Einschleppung erfolgt durch Einstallung erkrankter oder latent infizierter Tiere, wobei letzteren beträchtliche epidemiologische Bedeutung beizumessen ist.

Da die Empfänglichkeit des einzelnen Tieres von Infektionsdosis, Übertragungsweg und individueller Konstitution abhängt, zeigt die Infektion unter normalen Haltungsbedingungen nur eine langsame Ausbreitungstendenz. Eine Haltung auf engem Raum begünstigt eine Infektion, die Rotzerkrankung gehört deshalb zu den echten Stallseuchen.[32] In der Regel erkranken zuerst die Boxennachbarn. Die Übertragung auf andere Pferde wird jedoch durch natürliches Herden- und Sozialverhalten wie Fellpflege, Beschnuppern und Schnauben wirksam gefördert (so genannte Kontaktseuche). Obwohl Rotz keinen ausgeprägten Saisoncharakter aufweist, kann es in der feuchtkalten Jahreszeit zu gehäuftem Auftreten kommen.

Häufiger Tierwechsel mit vielen Zu- und Abgängen erhöht das Risiko der Einschleppung. Schlechte Haltungsbedingungen, hohe Leistungsanforderungen und ein schlechter Immunstatus gelten als die Infektion fördernde (prädisponierende) Faktoren, die negativen Einfluss auf die Häufigkeit klinisch sichtbarer (manifester) Erkrankungen und den klinischen Verlauf nehmen.[33] Klinischer Rotz trat daher in der Vergangenheit oft gehäuft oder sogar seuchenhaft bei Armeetieren[34], in Großstädten, bei Fuhrmanns-[35] und Grubenpferden sowie in Gestüten, Sowchosen und Kolchosen auf (Epidemien).
Der Rotz als Kriegstierseuche

Die Kriege des 17.-20. Jahrhunderts hatten weltweit eine starke Ausbreitung des Rotzes zur Folge. Die Zusammenstellung berittener Einheiten erfolgte üblicherweise aus Pferden gemischter Herkunft ohne wirksame Eingangskontrolle.[36] Der Transport in die Kriegsgebiete war – vor allem auf dem Seeweg – mit erheblichem Stress verbunden und konnte bereits die Erkrankung auslösen.[37] Die Ausstattung an Pflegepersonal und Veterinären war in der Regel der Tierzahl nicht angemessen.[38]
Übliche Mängel in Haltung und Fütterung der Armeepferde, Britische Armee im Ersten Weltkrieg.

Während des Kriegsdienstes wurde das Immunsystem der Tiere durch Überanstrengung, Verletzungen, Infektionskrankheiten (z.B. Räude), Mangelernährung, Hitze- und Kältestress stark geschwächt. Die Unterbringung erfolgte in überbelegten, unzureichenden Stallungen, die gemeinsame Nutzung von Tränken, Eimern, Trögen und anderem Zubehör war die Regel. In Pferdedepots[39] und Lazaretten wurden große Tiermengen aufgestallt, die erhebliche Zu- und Abgänge zu verzeichnen hatten. Durch Zusammenschluss und Austausch von Truppenteilen sowie Lieferung von Ersatzpferden erfolgte ein Tierverkehr über weite Strecken.[40] Gründliche diagnostische Untersuchungen der Tiere konnten aus Mangel an Zeit, qualifiziertem Personal und optimaler Ausstattung auch im 20. Jahrhundert nicht immer durchgeführt werden. Der Kontakt mit feindlichen berittenen Einheiten oder einheimischen Equiden sowie die Requirierung von Beutepferden aus verseuchten Gebieten förderte die Einschleppung des Erregers und weitere Verbreitung der Infektion.

In den kriegsführenden Ländern waren die eigentlichen Seuchenspitzen jedoch regelmäßig erst nach Beendigung der bewaffneten Konflikte und Rückkehr der durchseuchten Tiere von der Front zu verzeichnen. Überflüssige Tiere aus Armeebeständen wurden oft ausgemustert und an die Zivilbevölkerung veräußert,[41] was die flächenhafte Ausbreitung der Infektion vor allem in den USA nach dem amerikanischen Bürgerkrieg enorm förderte.[42] Der durch die Aushebung oder Tierverluste bedingte Mangel an Pferden wurde darüber hinaus auch durch Ankauf von Pferden aus anderen Gebieten gedeckt und begünstigte den Handel mit kranken oder minderwertigen Tieren.[43] Flüchtlingsströme aus den Ostgebieten trugen nach den beiden Weltkriegen maßgeblich zu lokalem Seuchenanstieg bei. Die Zerstörung veterinärbehördlicher Strukturen in besiegten Nationen führte zu verzögerter Bekämpfung des Rotzes.[44]
Ansteckungsgefährdung für den Menschen

Da die natürliche Übertragung vom Pferd auf den Menschen nur unregelmäßig und nicht besonders effizient stattfindet, sind Rotz-Epidemien beim Menschen unbekannt. Selbst bei einer Erkrankungshäufigkeit (Morbidität) von 5–30 % in der Pferdepopulation bleibt die humane Erkrankung ein seltenes Ereignis. [45] Bei erfolgreicher Übertragung gelten jedoch schon wenige Keime als ausreichend, um eine klinische Erkrankung auszulösen.[46]

Traditionell tritt sie als gelegentliche (sporadische) Einzelerkrankung in Bevölkerungsgruppen auf, die gehäuft engen Kontakt zu Pferden haben oder mit infektiösem Material in Berührung kommen können. Zur Risikogruppe gehören daher Veterinäre, Labor- und Schlachthofpersonal, Tierpfleger sowie andere pferde-assoziierte Berufe.[47] In Gegenden, wo der Rotz nicht endemisch vorkommt oder erstmals eingeschleppt wird (1876 in Kuba)[48] treten gehäuft akute Verläufe von Rotz beim Menschen auf. Während deutsche Soldaten und Veterinäre im Ersten Weltkrieg ernstlich akut erkrankten,[49] zeigten kriegsgefangene Russen dagegen oft einen chronischen Verlauf mit guter Heilungstendenz.[50] Die Existenz unerkannt verlaufender, milder oder symptomarmer (subklinischer) Infektionen muss daher ebenfalls berücksichtigt werden. Studien über menschliche Autopsien in Endemiegebieten wiesen Rotz-assoziierte Knötchen bei vielen Menschen nach, die Kontakt zu Pferden gehabt hatten.[51]

In der Laborarbeit hingegen ist B. mallei hochinfektiös, vor allem bei der Entstehung von Gemischen aus Gas oder Luft mit Erregerpartikeln (Aerosolen). Hier kann die Erkrankungsrate bis auf 46 % ansteigen. [52]
Pathogenese [Bearbeiten]
Virulenzfaktoren

Über die Virulenzfaktoren ist bisher noch wenig bekannt. Das Bakterium kommt teilweise intrazellulär vor, was die Bekämpfung durch die Immunabwehr erschwert. Einen weiteren Schutz vor der Elimination durch Fresszellen (Phagozytose) bietet ihm seine kapselähnliche Substanz. Da das Bakterium nach Zerstörung dieser Pseudokapsel für Labormäuse im Infektionsversuch harmlos (avirulent) wird, scheint hier ein Hauptfaktor für seine Virulenz zu liegen.[53]

Die krankmachende Wirkung beruht überwiegend auf der Produktion von Bakterientoxinen,[54] zu denen unter anderem Endotoxine und hitzelabile Toxine gehören. Das Erbgut (Genom) von Burkholderia mallei ist stellenweise hochvariabel. Dies führt nicht nur zur Ausbildung von Stämmen unterschiedlicher Aggressivität, sondern auch zur Bildung voneinander abweichender Oberflächenstrukturen, die vom Immunsystem nicht mehr erkannt werden (antigene Drift).[55]
Ausbreitung im Wirtsorganismus
Schema der häufigsten Infektionswege und möglicher Ausbreitungswege des Erregers im Organismus.

Die Ausbreitung des Erregers im Wirt ist mit der Tuberkulose vergleichbar. Im Regelfall stellt der Nasen-Rachen-Raum die Eintrittspforte („Entstehung des Primäraffekts“) dar. Über die ableitenden Lymphbahnen (lymphogen) erfolgt die anschließende Infektion des zuständigen regionären Lymphknotens („Bildung des Primärkomplexes“), in dem sich erste Rotz-Granulome bilden.[56] Über die Blutbahn (hämatogen) oder lymphogen erfolgt je nach Abwehrlage des Organismus die Ausbreitung in weitere Organe, vor allem in die Lunge.[57] Dort kommt es zur Bildung der für die Infektion typischen Rotzveränderungen. Die Infektion kann an diesem Punkt zum Stillstand kommen oder es erfolgt die langsam fortschreitende (protrahierte) Abschwemmung des Erregers (Dissemination) in weitere Organe und Gewebe.[58] Erreicht der Erreger nach Infektion der Bronchien und Bronchioli den Hohlraum der luftleitenden Wege, so kann durch Hochhusten infektiösen Materials auf sekundärem Wege eine Kontaktinfektion der oberen Atemwege stattfinden (kanalikuläre Ausbreitung).[59] Bei einer Erregeraufnahme über Einatmen entsteht der primäre Nasenrotz, nach Eintritt über verletzte Haut der primäre Hautrotz.[60]
Immunologie

Auch das Überstehen einer Infektion führt nicht zu einer belastbaren Immunität, das heißt, der Organismus ist nicht vor einer Neuerkrankung geschützt. Im Rahmen der Immunreaktion werden vom Wirt Agglutinine zur Immobilisierung des Erregers gebildet, die in der serologischen Diagnostik nachweisbar sind. Trotz der Bildung von Antikörpern ist die eigentliche effektive Immunreaktion durch Makrophagen und T-Zellen vermittelt. Die Verabreichung von Totimpfstoffen führte zwar gelegentlich bei Einzeltieren zu einer Minderung der Empfänglichkeit gegenüber der Infektion, bietet jedoch keinen generellen verlässlichen Schutz.[61] In der Vergangenheit konnte eine Boosterung des Immunsystems durch das Verabreichen von Mallein in Einzelfällen zu einer klinischen Besserung bei rotzkranken Pferden führen. Neue Forschungsergebnisse zeigen im Tierversuch eine verbesserte Schutzwirkung des Organismus durch Verabreichung γ-Interferon-stimulierender Substanzen.[62] Diese so genannten cationic liposome DNA complexes (CLDC) könnten als Grundlage für die Entwicklung einer Expositionsprophylaxe dienen.
Klinisches Bild [Bearbeiten]
Symptome und Verlauf bei Pferden

Die Rotzerkrankung bei Pferden kann akut oder chronisch verlaufen; es sind auch latente Infektionen möglich. Je nach Manifestationsort der Veränderungen unterscheidet man folgende Typen des Rotzes:



Diese Einteilung ist historisch bedingt und gilt heute als nicht mehr aktuell.[63] Die Übergänge zwischen den einzelnen Formen sind fließend und die Tiere weisen oft gleichzeitig mehrere Symptomkomplexe auf. Das gleichzeitige Auftreten aller Formen wurde früher auch als Rotzwurmkrankheit bezeichnet. Die Inkubationszeit variiert zwischen 3 Tagen und mehreren Wochen.
Akuter Rotz [Bearbeiten]
Hautrotz beim Pferd; Illustration aus einem veterinärmedizinischen Lehrbuch von 1913.

Die akute Verlaufsform ist typisch für Esel sowie Kreuzungsprodukte[64] und wird auch bei ca. 3–12 % an Rotz erkrankter Pferde beobachtet.[65] Der akute Rotz beginnt unspezifisch mit Schüttelfrost und hohem Fieber (40–41 °C), ein- oder beidseitigem Nasenausfluss und einer Rötung (Hyperämie) der Kopfschleimhäute.

Die Kehlgangslymphknoten sowie benachbarte Lymphbahnen und Lymphdrüsen sind oft geschwollen, schmerzhaft und teils mit Abszessen durchsetzt. Auf den Schleimhäuten der Nase, Nebenhöhlen, Luftröhre, Kehlkopf, Schlundkopf sowie auf der Haut bilden sich großflächig jauchig-geschwürige (diphtheroide) Beläge, Knötchen sowie einzelne Geschwüre, die sich schnell ausbreiten. In der Haut kann es zum Absterben handtellergroßer Areale kommen (Hautgangrän). Die Bindegewebsschichten (Submucosa) der Kopfschleimhäute, der Unterhaut und der Muskulatur sind sulzig verändert, mit blutiger Flüssigkeit durchtränkt (entzündliche Exsudation) und geschwollen. Die Ansammlung von Gewebewasser (Ödem) in der Nasenschleimhaut und im Kehlkopfbereich erschwert zusammen mit dem zähen Nasensekret die Atmung. Im Verlauf der Erkrankung verändert der Nasenausfluss sein Aussehen von wässrig über schleimig-eitrig zu blutig-jauchig. Er kann mit Futter oder Speichelresten vermischt sein. Die schmerzhafte Mitbeteiligung des Schlundkopfes führt zum Auswürgen (Regurgitieren) von Futter und zu Schluckbeschwerden, so dass die Futteraufnahme schnell zurückgeht.[66] Bisweilen entsteht eitriger Augenausfluss, in Einzelfällen werden zentralnervöse Symptome beobachtet. Beim Esel sind eigentümlich steife Hals- und Kopfhaltung sowie Lahmheiten beschrieben.[67]

Im weiteren zeigen die Tiere Bewegungsunlust, Abmagerung, Durchfall und Proteinverlust über die Nieren (Proteinurie). Sie werden schnell hinfällig und verenden oft aufgrund einer Lungenentzündung und multiplen Organmetastasen. Esel und Hybride erkranken in der Regel akut bis subakut an Nasen- und Lungenrotz, ein stürmischer septikämischer Verlauf ist ebenfalls möglich.
Chronischer Rotz [Bearbeiten]

Der chronische Rotz tritt überwiegend beim Pferd auf. Die Symptome sind bisweilen nur schwach ausgeprägt und können deshalb zu Anfang und bei nur geringer Belastung leicht übersehen werden. Die Krankheit zieht sich oft jahrelang hin und verläuft in unregelmäßigen fieberhaften Schüben. Die Kehlgangslymphknoten sind meistens reaktiv verändert (derb und knotig), jedoch schmerzlos und aufgrund von Verwachsungen nicht mehr frei verschiebbar. Da die Lunge beim chronischen Geschehen in der Regel mitbeteiligt ist,[68] treten Husten und Atembeschwerden auf. Diese können von einer nur leichten Dyspnoe bei Belastung bis zur Dämpfigkeit variieren. Rasche Ermüdbarkeit, Abmagerung und struppiges Fell sind häufig beobachtete Allgemeinsymptome.[69]

Zusätzlich können Anzeichen von Nasenrotz vorliegen, dieser kann sich in ein- oder beidseitigem Nasenausfluss oder Nasenbluten äußern. Rotzige Knötchen oder Geschwüre können fehlen oder erst sehr spät auftreten, sie finden sich am Nasenseptum und den Nasenmuscheln sowie am Kehlkopf und in der Luftröhre. Der Nasenausfluss ist grauweiß-schleimig bis graugelb-klebrig, er kann Blutbeimengungen und Schleimhautfetzen enthalten. Abgeheilte Veränderungen früherer Rotzschübe sind in der Regel in Form der typischen eisblumenförmigen „Rotznarben“ in der Nasenschleimhaut und in der Luftröhre zu finden. Hautrotz tritt nur in 10 % der Fälle auf.[70] Häufig betroffene Stellen (Prädilektionsstellen) sind die Areale erhöhter mechanischer Belastung (Geschirrlage, Sattellage) an Kopf, Unterbauch, Brust und Hintergliedmaßen. In Haut und Unterhaut entstehen erbsen- bis walnussgroße Knötchen und Abszesse, die geschwürig zerfallen (Dermatitis malleosa ulerosa), sich jedoch auch wieder zurückbilden können („fliegender Rotz“).[71] Aus eröffneten Herden fließt gelartiger gelblich-grauer Eiter (farcy oil) ab.
Typische Rotznarben auf der Nasenscheidewand beim Pferd (1924)

Die regionären Lymphknoten schwellen schmerzhaft an. Sind die Lymphknoten der Schenkel betroffen, zeigen die Tiere periodisch auftretende Lahmheit. Die Lymphgefäße im Einzugsbereich der Hautveränderungen sind verhärtet, verdreht und treten wurmstrangartig hervor (farcy pipes). In ihrem weiteren Verlauf können sich perlschnurartige, abszedierende Auftreibungen bilden (Rosenkranz), die sich teilweise nach außen entleeren. Der Hautrotz heilt oft nur schlecht und unter exzessiver Narbenbildung aus. Oft kommt es über den Rumpf verteilt zur Bildung faustgroßer Schwellungen in den tieferen Muskelschichten. Im fortgeschrittenen Stadium kommt es zu Schwellungen an Bauch, Brust, Beinen und den Gelenken. Im Bereich der Hintergliedmaßen bildet sich durch fortgesetzte Lymphabflussstörung und Entzündung der Unterhaut eventuell die so genannte Rotzphlegmone (Dermatitis malleosa diffusa phlegmonasa), die in seltenen Fällen von einer Elephantiasis (Elephantiasis malleosa) begleitet wird. Männliche Tiere zeigen eine Entzündung der Hoden (Orchitis) sowie Schwellungen an Hodensack und äußerem Genitale.[72] Rotzherde in den Knochen führen zu erhöhter Knochenbrüchigkeit, vor allem der Rippen.
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Beitrag  America008 Fr Jan 08, 2010 8:20 pm

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/d/d5/Rotzwuermer.jpg
Typische "Würmer" am Pferdeleib als Symptom des Rotzes

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/5/56/Hautrotz_1913.png
Hautrotz (Illustration)
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